Diarium des Bruder Honestus
Teil 6 - New Order 2003


ach langer Seereise haben wir glücklich den Kontinent Mythodea erreicht. Die Flotte der "Allianz", welcher sich unsere kleine Abordnung der Nordlande angeschlossen hatte, ging nahe der Siedlung vor Anker, die von der Anreanisch-Trawonischen Seehandelsgilde auf Mythodea errichtet worden war. Der Kapitän und Entdecker Paolo Armatio von der Seehandelsgilde war es ursprünglich gewesen, welcher den Seeweg zu dem sagenumwobenen Erdteil gefunden und kartographiert hatte.
Ausrüstung und Passagiere wurden an Land gebracht, zurück blieben die Besatzungen der Schiffe und ein kleines Kontingent Bewaffneter zur Bewachung. Sodann wurde in der Nähe der Siedlung ein Heerlager errichtet, ringsum geschützt von Palisaden. Gerüchteweise sollten Orks und Dunkelelfen in der Gegend sein und auch sonst konnte man nicht sicher sein, wie die bereits vor Ort befindlichen Gruppierungen der Allianz gegenüberstehen würden.
Wie sich zeigte, hatte auf einen Aufruf der Seehandelsgilde hin eine Vielzahl von Menschen, Elfen, Zwergen und anderem Volk nach Mythodea übergesetzt. Die wenigen Einheimischen, auf die Kapitän Armatio hier gestoßen war, beteten zu keinen bekannten Gottheiten, sondern verehrten die Elemente Erde, Magie, Feuer, Wasser und Luft, die auf Mythodea, wie sich zeigte, sehr reale Macht ausüben. Wie die Eingeborenen den Vertretern der Seehandelsgilde erklärten, waren auf Mythodea vor langer Zeit nicht näher genannte Frevel gegen die Elemente verübt worden, woraufhin diese bis auf wenige Überlebende die Einwohner vernichteten und das Landesinnere Mythodeas gegen Eindringlinge versiegelten. Die Eingeborenen führten Kapitän Armatio und seine Begleiter an den Ort, wo sich das Siegel befand. Ein dort ebenfalls befindliches Orakel soll verkündet haben, daß nur jemand, der sich der Elemente würdig erweist und das Siegel zu lösen vermag, das Landesinnere wieder öffnen könne. Deshalb hat die Seehandelsgilde nun möglichst viel Volk herbeigeholt - in der Hoffnung, darunter mögen sich solche finden, die imstande wären, diese Aufgabe zu erfüllen.

ie ich heute morgen erfahren mußte, wurden in der vergangenen Nacht mehrere Allianzler von Dunkelelfen und Orks entführt. Die Dunkelelfen ließen ihre Gefangenen zwar jeweils nach einer Weile wieder frei, doch wurden die bedauernswerten Opfer zuvor einer Befragung unterzogen, der mittels Folterungen Nachdruck verliehen wurde...


Appell beim friedländischen Artilleriefähnlein
(Photo: R. Hüls)

a nach wie vor einige Allianzler vermißt werden und diese wohl von den Orks festgehalten werden, rüstete sich eine größere Truppe von unseren Kämpfern, um sich auf eine Befreiungsmission zu begeben. Nur kurze Zeit, nachdem dieser Trupp dorthin aufgebrochen war, wo sich Meldungen zufolge das Lager der Orkenbrut befinden soll, konnten wir, die wir im Heerlager zurückgeblieben waren, eine große Streitmacht der Nordmannen, die ihrerseits in einem schwer befestigten Lager direkt am Rande der Siedlung campieren, beobachten. Die Nordmänner marschierten, gerüstet und voll bewaffnet, in die gleiche Richtung, die kurz zuvor unsere Krieger eingeschlagen hatten. Die zurückgebliebene Besatzung des Allianzlagers erfüllt diese Entwicklung mit Sorge.

er Befreiungstrupp ist wohlbehalten zurückgekehrt, und sogar die Vermissten sollen lebendig, wenn auch nicht unversehrt, wieder im Lager sein. Wie mir berichtet wurde, holte die Streitmacht der Nordmänner unsere Kämpfer ein, kurz bevor diese das Orklager erreichten. Die Nordmannen zeigten jedoch keine feindlichen Absichten unseren Leuten gegenüber. Statt dessen marschierten sie einfach vorbei und legten im Alleingang das Lager der Orks in Schutt und Asche. Unter diesen Umständen grenz es wohl fast schon an ein Wunder, daß unsere Vermissten im Anschluß noch lebend gefunden werden konnten - Darwik sei gepriesen! Wie mir außerdem zu Ohren kam, haben die Dunkelelfen, die ihren unterirdischen Schlupfwinkel ganz in der Nähe des Orklagers haben, ihren Höhleneingang selbst zum Einsturz gebracht, um sich vor einem Angriff zu schützen. Hoffentlich werden sie eine Weile benötigen, um sich erneut an die Oberfläche durchzugraben.

wei erschreckende Vorfälle haben sich im Lager der Allianz ereignet. Zum einen wurden am Nachmittag auf einmal Alarmschreie vom Lagertor her laut. Ehe irgendwer regieren konnte, wurde das Tor förmlich zerfetzt, und eine Gruppe Elementarwesen brach über uns herein. Von ihnen erzeugte Erdstöße, Sturmböen und Feuerwalzen erstickten jegliche Verteidungungsbemühungen unsererseits im Keim. Hilflos mußten wir mitansehen, wie sie auf den Platz in der Mitte des Lagers zogen, wo der Dampfpanzer der Maschinistengilde stand - ein wahrliches Wunderwerk der Technik. Diese schwer gepanzerte und mit einem kleinen Geschütz ähnlich denen der Friedländer versehene Kutsche vermag sich mittels einer ausgekügelten Apparatur, deren Wirkungsweise sich mir verschließt, wie von Geisterhand selbst fortzubewegen! Oder vielmehr vermochte sie es, denn die Elementarwesen erklärten den Apparat zu einem Frevel gegen die Elemente und zerstörten ihn kurzerhand. Dann verschwanden sie so rasch, wie sie gekommen waren. Es war ein Bild des Jammers mitanzusehen, wie die Leute der Maschinistengilde verzweifelt vor ihrem einstigen Stolz im Staub knieten...
Doch damit nicht genug! Wie aus heiterem Himmel erschien später ein dämonisches Wesen inmitten der Zelte der Bannstrahler, eines kirchlichen Kriegerordens, und griff die schockierten Umstehenden an! Ob das Wesen im Kampf getötet werden konnte oder aus eigenem Antrieb wieder verschwand, ist mir nicht bekannt. Tragischerweise tötete es zuvor jedoch den Anführer der Bannstrahler, den Großinquisitor Praiodan von Hohenstein.

ie Nacht ist hereingebrochen, und ich werde mich gleich zur Ruhe begeben. Den Abend habe ich im Lager des friedländischen Artilleriefähnleins verbracht, wo mir eine erfreuliche Gastfreundschaft entgegengebracht wurde. Nach den Vorkommnissen des Tages tat ein wenig Ablenkung wahrlich gut. Am Abend ist eine Truppe aus Kämpfern der Allianz, der Nordmannen und wohl auch einiger Elementarlager (die im übrigen offenbar nichts von dem Angriff der Elementarwesen auf uns wußten - diese haben wohl eigenständig gehandelt) aufgebrochen, um gegen die Dunkelelfen vorzugehen, sollten diese sich bereits wieder freigegraben haben. Möge Darwik die Hände dieser tapferen Krieger im Kampf gegen das Drowpack führen!


Taktische Mannschaftsbesprechung: Kubb, das Nationalspiel
der Nordlande, fand großen Anklang bei den Friedländern.
(Photo: R. Hüls)

ährend ich diesen Eintrag schreibe, befinde ich mich an der Küste Mythodeas, dort, wo in einiger Entfernung die Flotte der Allianz auf Reede liegt. Es dürfte um die Mittagsstunde herum sein, auch wenn ich das wegen des bedeckten Himmels nicht genau sagen kann. Es fällt ein leichter Nieselregen, alles scheint grau und kalt. Passend zu meiner Stimmung. Der heutige Tag brachte ein Entwicklung der Dinge, wie sie schlimmer nicht sein könnte.
Alles begann damit, daß ich kurz vor Morgengrauen durch laute Schreie und Kampfeslärm im Heerlager der Allianz aus dem Schlaf geschreckt wurde. Wie sich später zeigte, hatten die Nordmänner im Schutze der Dunkelheit eine Rampe aus Strohballen an unserer Palisade errichtet, über die sie in unser Lager eindringen konnten. Einmal drinnen, verloren die feigen Angreifer keine Zeit: ein Trupp eilte wohl los, der Hauptstreitmacht das Tor zu öffnen, während der Rest die wenigen Wachen bekämpfte, Zelte in Brand zu stecken begann und teilweise sogar in die Zelte eindrang, um die dort Schlafenden anzugreifen. So fand man zum Beispiel den Profoss des friedländischen Fähnleins, mit dem ich noch am Abend vorher Apfelwein getrunken hatte, später verblutet auf seiner Lagerstatt vor. Glücklicherweise hatten sich ein Teil der Allianzkrieger am Abend gerüstet zu einer unbequemen Ruhe gebettet, beunruhigt, durch die Geschehnisse des Vortages. Diese Recken konnten alsdann irgendwie die Nordmannen, die sich offenbar Söldner zur Verstärkung angeheuert hatten, zusammen mit den Lagerwachen solange in Schach halten, bis auch die restlichen Allianzler sich gerüstet und bewaffnet hatten. Nicht wenige verloren allerdings damit gar nicht erst Zeit, griffen zu ihren Waffen und stürzten sich todesmutig nur in ihren Unterkleidern in den Kampf. Gemeinsam gelang es endlich, die Nordmannen und ihre Söldnerfreunde zum Rückzug zu treiben. Dabei wurden einige Nordmänner gefangen genommen, unter ihnen wohl auch ein hochrangiger Anführer. Doch der Blutzoll, den die Allianz zu entrichten hatte, war hoch.
Ich weiß bis jetzt noch nicht, was die verräterischen Nordmänner zu ihrer heimtückischen Attacke bewogen haben mag - vor allem, wenn man bedenkt, daß sie noch am Vorabend gemeinsam mit uns gegen die Dunkelelfen vorgegangen waren. Der Grund, weshalb nicht sofort ein Vergeltungsangriff auf das Lager der Nordmannen durchgeführt wurde, war wohl, daß die Allianz nach der morgendlichen Schlacht selbst noch arg geschwächt war. Zudem brachten die Nordmänner in den folgenden Stunden mehrere Allianzler als Geiseln in ihre Gewalt. Verhandlungen begannen, um die jeweiligen Geiseln gegeneinander auszutauschen.
Ein paar Gruppierungen innerhalb der Allianz waren mit diesem passiven Kurs offenbar nicht zufrieden und begannen, aus dem Bund auszuscheren, vor allem die Bannstrahler unter ihrem neuen Anführer und die Abordnung Aturiens. Sie bildeten eine eigene Gemeinschaft, den "Kämpferbund", zogen für eine Weile vor das Lager der Nordmänner, um Stärke zu demonstrieren und führten dann vor dem Heerlager der Allianz ein Gefechtsmanöver durch. Noch während sie damit beschäftigt waren, zog ein Großteil der Allianztruppen aus in Richtung des Nordmannenlagers, um die Geiseln zu befreien. Die wichtigeste Geisel der Allianz, einer der Anführer der Nordmannen, hatte es nämlich geschafft, sich von seinen Fesseln zu befreien und zu fliehen. Die Verhandlungen schienen zu scheitern. Froh, daß endlich etwas handfestes geschah, schloß sich der Kämpferbund dem Zug an. Zurück blieb nur eine Handvoll Kämpfer, darunter die Streiter aus Minas Londria unter ihrem König Heimdall.
Als die Schöacht um das Nordmannenlager begann, konnte man den Lärm bis zu unserem Heerlager hören. Die Geschütze der Friedländer und anderes Kriegsgerät nahm die massiven Palisaden der Nordleute unter Beschuß, doch diese hielten zunächst. Als die ersten Breschen geschlagen wurden, gaben die Nordmannen ein Signal, woraufhin eine Streitmacht aus den Elementlagern den unsrigen in den Rücken fiel. Es begann ein fürchterliches Gemetzel, in dem die Allianztruppen aufgerieben werden zu drohten. Dies alles berichteten Verwundete, denen es gelungen war, sich ins Heerlager zurückzuschleppen.
Während der Schlachtenlärm in der Ferne noch tobte, sah sich das Heerlager einer neuen Bedrohung gegenüber: die Orks, die sich wieder zusammengerottet hatten, griffen uns an! Sie strömten durch eine Bresche in der Palisade und durch das von den Elementaren zerstörte Tor - die wenigen Kämpfer hatten letztlich keine Chance. In dieser aussichtslosen Situation mußten die londrischen Krieger zunächst daran denken, ihren Herrscher in Sicherheit zu bringen. Ein Loch wurde in die hintere Palisade geschlagen und der Rückzug zu den Schiffen angetreten. Wer noch konnte, floh. Auch ich selbst schloß mich zusammen mit Schwester Thora, einer nordlandischen Priesterin, dem Flüchtlingszug zur Küste an. Die übrigen Mitglieder unserer Gruppe aus den Nordlanden waren unter den Rittern Gideon und Geroid zur Schlacht bei den Nordmannen gezogen. Mir schwant das Schlimmste, was ihr Schicksal betrifft...


Vom Angriff der Nordmannen unsanft geweckt, mache
ich mich an die Versorgung der Verwundeten
(Photo: R. Hüls)

rneut hat unser Schicksal eine Wendung genommen, dieses Mal ganz unerwartet zum Besseren. Ich befinde mich wieder im Heerlager. König Heimdall hat sich zwar vorsichtshalber auf sein Schiff begeben, wollte die Allianz aber nicht einfach abschreiben, solange noch eine noch so kleine Chance bestand, daß sie die Schlacht mit den Nordleuten wider Erwarten irgendwie überstanden haben mochte. Er schickte also einen Trupp frischer Kämpfer von den Schiffen zurück zum Heerlager. Schwester Thora und ich schlossen uns dem kleinen Troß an.
Und siehe! das Banner der Allianz, das weiße Fünfeck auf rotem Grund, wehte wieder über den Palisaden. Allen Widrigkeiten zum Trotz hatte es ein Großteil der Allianztruppen geschafft, sich wieder hierher zurückzuziehen. Auch die Orks waren inzwischen wieder abgezogen. Doch es hatte sich allerlei verändert. Der Rat der Allianz, der zuvor unseren Kurs bestimmt hatte, war aufgelöst. Statt dessen war das Oberkommando dem König von Kargath, Tankreth Sianmar, übertragen worden. In solch kriegerischer Lage, wie wir uns hier wider Erwarten finden, sind schnellere Entscheidungen gefragt, als ein Rat sie treffen konnte.

s zeigte sich in der Folge, daß die Elementlager und auch die Nordmannen uns von der Allianz deshalb so feindselig gegenüberstanden, weil irgendjemand zuhauf Gerüchte in Umlauf gebracht hat, die uns mit den abscheulichsten Verbrechen in Verbindung brachten. Offenbar wurde sogar nicht davor zurückgeschreckt, falsche Allianzler unschuldige Heiler anderer Lager meucheln zu lassen, um uns in Mißkredit zu bringen. Viele hier verdächtigen den Anführer des Feuerlagers, offenbar ein Mann, mit dem verschiedentliche Leute zu anderen Gelegenheiten schon sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben und der dementsprechend von vielen geächtet wurde.
König Tankreth von Kargath schickte Unterhändler zu allen Lagern mit Ausnahme des Feuers, um diese Mißverständnisse aus dem Weg zu räumen. Uns kam dabei zu Gute, daß sich alles zur entscheidenden rituellen Schlacht zwischen den Elementen rüstete, deren Ausgang den "Archon" bestimmen sollte, eine der beiden Personen, die zum Öffnen des Siegels benötigt werden. Ob die zweite Person, eine Priesterin, schon bestimmt wurde, weiß ich nicht.
Als Zeichen des guten Willens der Allianz und um die Vorurteile gegen uns aus dem Weg zu räumen, zogen die verbliebenen kampftauglichen Streiter der Allianz schließlich an der Seite der anderen Elementlager gegen das Feuerlager in die Entscheidungsschlacht. Die Kämpfer der Feuers wurden unterstützt von den Dunkelelfen und den Orks - auch daran sieht man, daß es wohl wirklich besser ist, daß der Anführer des Feuers nicht zum Archon wurde. Denn trotz dieser Verstärkung war das Feuer hoffnunglos unterlegen, und die Schlacht, bei der größtenteils nicht bis zum Tod gekämpft werden sollte, war recht schnell entschieden, wie ich höre.
Wer nun schlußendlich Archon wurde und ob das Siegel geöffnet werden kann, vermag ich jetzt noch nicht zu sagen. Die kommenden Tage werden es zeigen. Ich für meinen Teil werde mich nach diesem Tag der dramatischen Entwicklungen jetzt zur Ruhe legen und hoffe im Übrigen, daß die Feindseligkeiten gegen uns nunmehr ein Ende haben. Diese Expedition hätte für die Allianz beinahe in einem entsetzlichen Debakel geendet, und auch so sind viel zu hohe Verluste zu beklagen. Ich werde froh sein, wenn wir uns wieder gen Heimat einschiffen...


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© 2003  Hanno Lamp