Diarium des Bruder Honestus
Teil 4: Carpe Daimon 3


as hat es bloß mit diesem verwünschten Grenzposten auf sich? Heute passierte ich die Grenze zwischen Katothingen und Frankothingen auf meinem Rückweg erneut an der Stelle, wo es bei meiner vorherigen Passage den Äger mit Untoten gab. War mein Grenzübertritt wenigstens dieses Mal von Unbill verschont geblieben? Nein! Aber der Reihe nach...

n der Bibliothek eines Katothinger Klosters hatte ich Hinweise auf einen magischen Ritualplatz gefunden, der sich ganz in der Nähe des besagten Grenzpostens im Wald befindet. Er war vor langer Zeit von einigen Magieren errichtet worden und steht heute jedem Magiekundigen zur Benutzung frei. Da ich von solchen altertümlichen Stätten schon immer fasziniert war, beschloß ich, mir diesen Ort auf meinem Rückweg einmal anzusehen. Der Bibliothekar des Klosters, ein freundlicher alter Knabe, mit dem ich mich während meines Aufenthaltes dort angefreundet hatte, gab mir auf meine Bitte hin eine Wegbeschreibung zu dem Ritulplatz mit. Gutmeinend, wie er war, drückte er mir beim Abschied zudem Abschriften sämtlicher Unterlagen zu jener Stätte in die Hand - größtenteils Schriften, die nur einem Magier von Nutzen sein mochten. Ich brachte es nicht übers Herz, ihn in seinem rührenden Eifer zu stoppen, und steckte alles ein - nicht wissend, daß offenbar Darwik in seiner weisen Voraussicht meine Hände lenkte, wie sich später zeigte.

ch erreichte den Grenzposten am späten Vormittag und setzte mich dort zu einer Mittagsrast an den Wegesrand. Später wollte ich mir kurz den Ritualplatz anschauen und dann weiterziehen. Außer mir machten dort wieder mehrere andere Reisende Rast. Unter ihnen befand sich auch eine junge Comtessa mit ihrer Eskorte. Ihre Kutsche hatte ein Panne gehabt, so daß die adelige Dame gezwungen war, auf Ersatz zu warten.

ls ich gerade im Schatten der Bäume in ein kurzes Mittagsschläfchen zu sinken begann, wurde ich durch einen Tumult wieder geweckt. Eine Gruppe Kämpfer, geführt von einem finster wirkendem Mann in schwarzen Gewändern war erschienen. Der Anführer schien mit der Comtessa zu streiten, ich war jedoch noch so schlaftrunken, daß ich nicht genau mitbekam, worum es ging. Später erfuhr ich, daß der Kerl ein abgewiesener Verehrer der Dame war. Da sich herausstellen sollte, daß er zudem ein Schwarzmagier war, hatte die Comtessa wohl daran getan, sein Werben zurückzuweisen.

lötzlich entbrannte ein Kampf zwischen den Schergen des Mannes einerseits und der Eskorte der Comtessa sowie einigen anderen anwesenden Recken andererseits. Im Getümmel riß der Schurke die Comtessa an sich und verschwand mit ihr im Wald. Zuvor hatte er jedoch noch einige schon niedergestreckte Kämpfer mit seiner schwarzen Zauberkraft zu neuem Leben erweckt! Als die Kämpfer, die seine Flucht gedeckt hatten, schließlich besiegt waren, nahmen einige Männer die Verfolgung auf. Einer von ihnen hätte den Flüchtenden mit seiner Geisel fast eingeholt, doch dieser betrat mit seinem Opfer den Ritualplatz im Wald, den ich hatte besuchen wollen - und zauberte sich dort samt der armen Comtessa an ein unbekanntes Ziel.

nd so wäre das Schicksal der Comtessa wohl besiegelt gewesen - hätte ich nicht die Schriftstücke des Bibliothekars bei mir gehabt! Eines davon berichtete von einer Möglichkeit, den jeweils letzten Zauber, der auf dem Ritualplatz vollzogen worden war, rückgängig zu machen. Dazu benötigte man drei Schlüsselsteine, die in die passenden Löcher in den drei Säulen, die den Ritualplatz umgaben, gelegt werden mußten. Damit aber nicht jeder Dahergelaufene nach Lust und Laune diese Steine hätte verwenden können, war einer davon einem Paladin-Orden, dessen Sitz sich in der Nähe befand, zur Aufbewahrung gegeben worden. Ein zweiter befand sich in einem Astralraum versteckt, den man mittels eines Rituals betreten konnte, das ebenfalls in meinen Schriften beschrieben war. Der letzte hingegen sollte sich ganz in der Nähe im Wald auf einem Sockel befinden.

un begannen geschäftige Vorbereitungen. Während eine der Grenzwachen zu dem Paladin-Orden geschickt wurde, machten sich ein paar Leute auf die Suche nach einigen Pflanzen, die für das Ritual benötigt wurden. Eine weitere Gruppe sollte mittels einer Wegbeschreibung, die ich ihnen aus den Schriften des Bibliothekars gab, den Sockel mit dem dritten Schlüsselstein aufsuchen und den Stein herbeischaffen.


Ein Paladin des Ordens bringt den Schlüsselstein
(Photo: M. Poese)

llerdings wurden unsere Bemühungen dadurch erschwert, daß die Schergen des Schwarzmagiers, der wohl mit so etwas gerechnet hatte, versuchten, uns daran zu hindern. Ich selbst wurde ziemlich zu Beginn der Angelegenheit von einem Pfeil in der Schulter getroffen. Immer wieder tauchten sie aus dem Wald auf und griffen an - denn wenn man einen erschlug, so sorgten die widernatürlichen Zauberkräfte ihres Herren dafür, daß sie schon bald wieder zu neuem Leben erwachten. Welch ein Frevel! Ob dieses nicht nachlassenden Ansturmes gaben nach und nach immer mehr der anwesenden Reisenden in ihren Bemühungen zu helfen auf und machten, daß sie davon kamen. Auch ich muß gestehen, daß ich daran dachte, mein Heil in der Flucht zu suchen. Doch ich sagte mir, daß Darwik wollte, daß ich alles tat, um zu helfen. Hätte er sonst dafür gesorgt, daß ich die Schriften, die wir so gut gebrauchen konnten, bei mir trug?

nd tatsächlich trugen unsere Mühen nach und nach Früchte. Das Ritual wurde an einer versteckten Stelle im Wald erfolgreich von einer jungen Magierin vollzogen, während einige Krieger die Schergen des Finsterlings ablenkten. Die mutige Zauberkundige und drei Begleiter betraten den Astralraum und kehrten nach einiger Zeit erfolgreich mit dem Schlüsselstein wieder zurück. Einige von ihnen trugen allerdings Verletzungen davon - offenbar war der Stein nicht unbewacht gewesen.

er zweite Stein fand sich zwar zu unserem Schrecken zunächst nicht auf dem Sockel, wo er hätte liegen sollen, doch stellte sich später heraus, daß eine Gruppe der anwesenden Reisenden ihn an sich genommen hatte, ohne zu wissen, wofür er gut war. Bereitwillig gaben sie ihn heraus, als ihnen klar wurde, was sie da in den Taschen hatten...

chließlich kam auch der losgeschickte Grenzwächter wieder, zusammen mit ein paar Mann Verstärkung - und einem der Paladine, der den dritten und letzten Stein brachte. Nun konnte der Zauber, mit dem der Schwarzmagier sich samt der Comtessa fortgehext hatte, rückgängig gemacht werden. Kaum war der letzte Stein in seine Säule eingesetzt, erschienen der Magier, ein paar seiner Schergen und die Comtessa mit verblüfften Mienen in der Mitte des Ritualplatzes. Ein Kampf entbrannte, der jedoch nach kurzer Zeit für unsere Seite entschieden werden konnte und in dem der finstere Magier samt seinen Männern ihre Leben aushauchten. Die Comtessa war bis auf einen verständlichen Schock unversehrt.

nd so kam alles doch noch zu einem guten Ende - worauf ich zwischenzeitlich fast schon nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Doch zeigte sich wieder einmal, daß alles zu meistern ist, wenn man nur auf Darwiks schützende und lenkende Hand vertraut, die auf allen Wegen über einem liegt. Nichts desto trotz entschloß ich mich, diesen unseligen Grenzposten so schnell nicht wieder aufzusuchen.


Der Schurke ist nicht mehr. Wir gehen vom
Ritualplatz zum Grenzposten zurück
(Photo: M. Poese)


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© 2003  Hanno Lamp